sola scriptura

Predigtreihe

“Sola scriptura – allein die Heilige Schrift” dieser Gedanke Luthers passt ja wunderbar dazu, dass wir jetzt zum Reformationsjubiläum eine neue Überarbeitung der Lutherbibel haben. Es gibt sogar eine Handy-App! Da kann man sich auch eine tägliche Bibelstelle anzeigen lassen. Oder man liest innerhalb eines Jahres sogar in die ganze Bibel durch: die App präsentiert täglich drei Texthäppchen, wenn ich die lese, bin ich in 12 Monaten durch die ganze Bibel durch!

Klingt beeindruckend! Zeig mal her ….. interessant … schau, da stößt man ja auch auf Stellen, die sonst im Gottesdienst nie vorkommen: Das da zum Beispiel gleich am Anfang des Propheten Hosea. “Als der HERR anfing zu reden durch Hosea, sprach er zu ihm: Geh hin und nimm ein Hurenweib und Hurenkinder; denn das Land läuft vom HERRN weg der Hurerei nach.” (Hosea 1,2) Das ist schon echt heftig!

Wie kann das sein, dass das in der Bibel steht? Jeder weiß doch, dass es heißt “Du sollst nicht ehebrechen” – also ist doch eigentlich ganz klar, dass das mit dem Hosea eigentlich gar nicht geht! Mann soll seinen Partner treu sein, ihn lieben. Schon in der Schöpfungsgeschichte steht ja: “Und schuf sie als Mann und Frau. (…) und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch”. (1. Mose 1, 27f). Das ist doch das, was wofür Bibel eigentlich steht.

Jaja, das steht im Alten Testament – aber Paulus schreibt im Neuen Testament: “Wer ledig ist, der sorgt sich um die Sache des Herrn, wie er dem Herrn gefalle; wer aber verheiratet ist, der sorgt sich um die Dinge der Welt, wie er der Frau gefalle.” Also sagt er letztlich: ich zitiere: “ Also, wer seine Jungfrau heiratet, der handelt gut; wer sie aber nicht heiratet, der handelt besser.” (1. Kor 7,32ff). Unser persönliches Kuschel-Bedürfnis in Ehren, aber die Bibel ist eben nicht nur ein Wohlfühl-Buch, sondern eines, das herausfordert, das unbequem ist.

Unbequem … ja, das darf sie ja gerne sein. Sie ist ja da, um uns auch unbequeme Wahrheiten zu sagen. Schwieriger ist die Frage, was jetzt gilt: Soll ich mit Paulus ehelos bleiben, oder mich nach Mose richten und viele Kinder bekommen. An den Hosea mag ich jetzt gar nicht denken. Kann es sein dass es mit Luthers “allein die Schrift” gar nicht so einfach ist? Weil ich mir nicht immer so sicher bin, was da eigentlich gilt?


Diesen Sommer saß ich einmal bei schönstem Sonnenschein in einem Café – vor mir eine Tasse Cappucino, dazu ein Stück Torte und die aktuelle Zeit. Eigentlich hätte es besser nicht sein können . . . wäre da nicht das Paar am Nachbartisch gewesen. Eine Frau in Burka ging am Café vorbei. Sie ging einfach nur vorbei. Sie sagte nichts, ich glaube nicht einmal, dass sie uns bemerkt hat. Doch für meine Sitznachbarn war das schon Provokation genug. Sogleich zogen sie vom Leder: Also diese Muslime und ihr Frauenbild. Das gehört nicht nach Europa. Sowas sollte verboten werden. Usw.

Zunächst einmal war ich empört über die Vorurteile, die da ausgeschüttet wurden. Auf den zweiten Blick kann auch ich mich dem Gedanken nicht entziehen, dass wir im Westen einfach ein bisschen weiter sind, was die Gleichberechtigung der Frau angeht. Kleidervorschriften sind schon länger höchstens nur noch ein Thema des Dorfklatsches. Frauen arbeiten, wählen, ja wir haben sogar eine Frau an der Spitze des Landes. Naja und bei uns evangelischen sind inzwischen Pfarrerinnen so selbstverständlich, dass sie in unserer Region die klare Mehrheit bilden. Also ich finde, da können wir uns schon ein bisschen was einbilden.


Paulus schreibt im 1.Brief an die Gemeinde in Korinth: Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in der Gemeindeversammlung; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Ähm . . . das ist jetzt schon irgendwie blöd. Jetzt macht uns der Paulus einen Strich durch unsere tolle Rechnung, was die Gleichberechtigung angeht. Das passt ja sogar nicht zu Frauen im Pfarramt. Was fangen wir also mit so einem Satz aus der Bibel an?

Manche meinen, dass man die Bibel beim Wort nehmen muss. Immerhin ist ein Grundsatz der Reformation sola scriptura – allein die Bibel. Dann wären Frauen im Pfarramt ein Unding, denn schließlich sagt die Schrift, dass sie schweigen sollen. So sieht es seit kurzen wieder die Kirche in Lettland. Sie hat vor kurzem beschlossen, dass Frauen keine Pfarrerinnen mehr sein dürfen.

Andererseits: In der Bibel steckt Gottes Wort im Menschenwort. Schaut man jetzt auf die Umstände in Korinth, wird manches klarer: In den Gemeindeversammlungen herrschte großes Chaos – so schreibt Paulus. Schuld daran war unter anderem die Zungenrede. Mann wie Frau redeten dabei unverständlich vor sich hin und sahen dies als Zeichen des Heiligen Geistes. So konnte man nichts von der guten Botschaft mitbekommen, die Paulus so wichtig war. Das Gebot an die Frauen zu schweigen, steht in diesem Zusammenhang. Paulus will also einfach mehr Ordnung schaffen.

Das haben wir heute nicht mehr nötig: Wir haben zwar manche Probleme, aber enthusiastische Zungenrede durch Massen von Frauen gehört nicht dazu.

Das sind nur zwei Möglichkeiten mit der Schrift umzugehen. Aber welche ist denn nun richtig? Soll man die Schrift wörtlich nehmen oder muss man sie in ihrer Zeit sehen? Beide Möglichkeiten haben ein Stück weit recht: Die Verteidiger einer wörtlichen Auslegung haben etwas für sich: Man kann eine Stelle in der Bibel nicht einfach ignorieren, nur weil sie nicht zur eigenen Meinung passt. Das wäre dann ein Selbstbedienungsladen. Wenn wir Evangelische sagen, dass die Grundlage unseres Glaubens die Schrift allein ist – sola scriptura. Dann muss man sie auch erst einmal ernst nehmen.

Andererseits kann man auch nicht ignorieren, dass die Bibel nicht vom Himmel gefallen ist. Menschen haben sie aufgeschrieben. Sie haben ihre Erfahrungen mit Gott aufgeschrieben – das Wort Gottes. Aber sie haben es mit ihren Worten und vor dem Hintergrund ihres Erlebens aufgeschrieben: Das Gottes Wort steckt im Menschenwort.

Was heißt aber vor diesem Hintergrund die Grundlage sola scriptura – die Schrift allein? Ich denke, dass deutlich geworden ist, dass die Schrift oft nicht ohne weiteres verständlich ist. So manches bedarf der Auslegung. Bedarf unserer Auslegung. Denn wir alle sind Priester. Wir alle können die Heilige Schrift auslegen, nicht nur die Fachleute der Kirche. Das war Luther wichtig. Darum sprach er vom Priestertum aller Getauften.

Woran aber kann unsere Auslegung ihren Anhalt nehmen. Wie wird verhindert, dass wir entweder alles wörtlich nehmen oder aber nichts mehr in der Bibel ernst nehmen?

Auslegung, sagt Luther, muss aus der Schrift selbst kommen – da ist es wieder sola scriptura, aus der Schrift allein. Für Luther war klar, die Schrift hat eine Mitte und an dieser Mitte muss sich alle menschliche Auslegung messen.

Nur wo liegt diese Mitte? Hier sind wir bei einem anderen Grundsatz der Reformation solus christus – Christus allein. Allein in Christus zeigt sich, wie sehr Gott die Menschen liebt. Was Christum treibet, so sagt Luther steht in der Mitte der Schrift.

Was er gesagt und getan hat und was für uns erfahrbar wurde durch seinen Tod und seine Auferstehung – das steht in der Mitte der Schrift. An Christus müssen sich unsere Auslegungen messen lassen, genauso wie unser Handeln.

Für die Frage nach den Frauen in der Gemeinde sehe ich das so: Ich bin froh, dass wir in unserer bayrischen Landeskirche Pfarrerinnen haben. Für mich ist es klar: Jesus Christus ruft alle Menschen zum Heil. Jeder und Jede von uns soll diese Botschaft weitersagen: Männer und Frauen. Ganz so wie die ersten die von Jesu Auferstehung berichteten Frauen waren, ist es gut, dass wir nach fast 2000 Jahren ihnen dieses Amt in der Kirche nicht länger verwehren.


Ganz dick waren sie – die Schneeflocken die vom Himmel fielen, auf die Straße, auf meine Pudelmütze und auf meine Kindergartentasche. “Da hat Gott aber ganzschön große Schneeflocken gemacht!” sagte ich – und das war mein Ernst. Denn woher sollten sie denn kommen? Die konnte nur Gott gemacht haben, da oben. Da gabs keinen Zweifel, dass Gott das macht. Die Frau Holle das war ja nur ein Märchen für die ganz kleinen Kinder, die das mit Gott nicht verstanden.

Ich war ja schon Vorschulkind und wusste, dass die Welt von Gott gemacht ist: Sieben Tage hat er gebraucht, für eine Welt mit Tieren, Pflanzen und Menschen. Adam und Eva hat er in einen Garten gesetzt, und alles war gut – bis die Schlange kam, und gar nichts mehr gut war.

Meine Schlange war die Schule, wo Lehrer von Evolution und Urknall sprachen, von Jahrmillionen, in denen die Erde allmählich Gestalt gewann. Die sieben Tage waren vom Tisch. Und nachdem sich die Schlange des naturwissenschaftlichen Zweifels vom Lehrerpult wieder verzogen hatte, musste ich überlegen, in welchen Apfel ich beißen sollte.

Einer dieser Äpfel bot eine einfache Lösung: Die Naturwissenschaftler haben ihre Theorien, aber die Bibel hat doch Recht. Denn Gott kann alles, auch in sieben Tagen eine Welt erschaffen. Basta! Aber diese Lösung war mir dann doch zu einfach.

Die andere Lösung war nicht weniger simpel: Das in der Bibel sind alte Geschichten – fromme Märchen, so wie die von Frau Holle. Sie versuchen zu erklären, was man nicht erklären kann, und jeder weiß – es ist nett, sie zu lesen – weiter nichts.

Aber auch diese einfache Erklärung war für mich keine brauchbare Lösung – denn zu wichtig war mir diese Bibel geworden. Zu oft hatte ich gespürt, welche Kraft in ihren Worten steckte. Eine Kraft und Macht, die menschliche Worte so nicht besaßen.

Und so versuchte ich auch in diesen Kapiteln genau hinzuhören, wo hier das Gotteswort im Menschenwort zu finden war.

Damals, als die Verfasser diese Zeilen fomuliert haben; was hatten sie von Gott erkannt? Welches Anliegen hat er ihnen ins Herz gelegt? Welche Warnung sollten sie aufs Papyrus bringen?

Dieses lebendige Wort Gottes in den aufgeschriebenen menschlichen Worten zu finden ist mühsam. Das ist nicht leicht, man streitet mit sich selbst, mit anderen und hofft, dass Gottes Geist einen das Richtige erkennen hilft.

Irgendwann hatte es ich für mich fertigsortiert. Konnte mir vorstellen, was Gottes Wort in diesen Kapiteln war : Ich, euer Gott, habe einen genauen Plan für eure Welt. Ich habe sie euch geordnet zur Verfügung gestellt. Alles hat seinen Platz. Im Raum und in der Zeit. So, wie man einen Garten planvoll anlegt oder wie die Woche euch Struktur gibt.

Ich, euer Gott war es! Kein Zufall, keine anderen Mächte: Ich euer himmlischer Vater. Und wie ein menschlicher Vater weiß ich, dass seine Kinder mit dem, was man ihnen anvertraut nicht besonders gut umgehen werden. Darum sollt ihr euch immer wieder daran erinnern, wer euch diese Welt wozu überlassen hat.

Ob ich es damit getroffen habe?

“Sola scriptura”: Allein die Bibel kann mir darauf Antwort geben – und so bleibt es ein stetes Bedenken unserer Heiligen Schrift. Wie Luther einmal zur Einleitung seiner Predigt zum Psalm 1 sagte: “Wenn man meint, man hat sie endlich verstanden, so muss man erst recht neu anfangen, darin zu lesen” (nach WA 49, 223, 8-9)

Amen.